Der Jury des Deutschen Fahrradpreises ist die Wahl in diesem Jahr nicht leichtgefallen. Die 18 Radverkehrsexpert:innen haben mit „OpenBikeSensor“ und „SimRa“ gleich zwei Erstplatzierte in der Kategorie „Service & Kommunikation“ gewählt und einen Sonderpreis an die mobile Teststation „COVID19BIKE“ vergeben. Der erste Preis in der Kategorie Infrastruktur geht nach Ostwestfalen-Lippe für das „Radnetz OWL“. Die Gewinner des mit insgesamt 24.000 Euro dotierten Wettbewerbs wurden am Donnerstag (17. Februar 2022) bei der Online-Preisverleihung im Bauwerk Köln bekannt gegeben. Die ehemalige Radrennsportlerin Kristina Vogel nahm ihren Preis als „Fahrradfreundlichste Persönlichkeit“ vor Ort entgegen.
Der Deutsche Fahrradpreis ist eine Initiative des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr sowie der Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in NRW e.V. (AGFS). Der Wettbewerb wird vom Zweirad-Industrie-Verband e.V. und vom Verbund Service und Fahrrad e.V. unterstützt. www.der-deutsche-fahrradpreis.de. (Bildquelle)
Im Einzelnen
Sonderpreis für das „COVID19BIKE“
In diesem Jahr vergab die Jury zum ersten Mal seit 2011 wieder einen Sonderpreis für herausragende Leistungen für den Radverkehr in der Gesellschaft. Bundesverkehrsminister Volker Wissing überreichte den Preis an Intensivpfleger Oliver Sablowski für sein „COVID19BIKE“ – eine mobile, zertifizierte Teststation auf einem Lastenrad. Seit dem 31. Dezember 2021 bietet Oliver Sablowski damit kostenlose Bürgertests an unterschiedlichen Orten in seiner Heimatstadt Bayreuth an. Sein Lastenrad erlaubt ihm dabei die größtmögliche Flexibilität und die Möglichkeit, die Menschen vor Ort zu erreichen.
Siegerprojekte in der Kategorie „Infrastruktur“
Den ersten Platz in der Kategorie „Infrastruktur“ belegt das „Radnetz OWL“. Sechs Kreise und eine Stadt in Ostwestfalen-Lippe bauen gemeinsam eine Koordinationsstruktur auf, die ein regionales Pendlernetz zwischen 70 Kommunen planen und umsetzen soll. Landrat Christoph Rüther vom federführenden Kreis Paderborn sowie Annette Nothnagel, Leiterin der Regionale 2022 bei der OstWestfalenLippe GmbH, erhielten die Auszeichnung stellvertretend für alle Beteiligten.
Auf dem zweiten Platz landete das Gemeinschaftsprojekt „DeinRadschloss“ vom Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) sowie 15 Kommunen in Nordrhein-Westfalen (NRW). Das digitale Schließsystem bietet Radfahrer:innen sicheres Fahrradparken – insbesondere an ÖPNV-Haltepunkten – mit flexiblen Buchungsoptionen und einem einfachen Zugang per Chipkarte oder Smartphone. Aktuell sind 70 Standorte in 15 Kommunen im VRR miteinander vernetzt. Den Preis nahm Michael Zyweck, Fachgruppenleiter Nahverkehrsmanagement beim VRR, entgegen.
Die „Fahrradzone Nauwieser Viertel“ in Saarbrücken erhielt den dritten Preis in der Kategorie „Infrastruktur“. Sie ist eine der ersten Fahrradzonen Deutschlands und umfasst nicht nur einzelne Straßenzüge, sondern erstreckt sich über einen vollständigen, zentral gelegenen und hochverdichteten Stadtteil mit elf Straßenzügen, 25 Hektar Fläche und über 6.000 Einwohner:innen. Uwe Conradt, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Saarbrücken, nahm die Auszeichnung entgegen.
Siegerprojekte in der Kategorie „Service & Kommunikation“
Mit den beiden Erstplatzierten in der Kategorie „Service & Kommunikation“ geht der Deutsche Fahrradpreis an zwei Vorzeigeprojekte der digitalen, communitybasierten Datenerhebung mit dem Ziel, die Radverkehrssicherheit zu erhöhen. Der „OpenBikeSensor“ wird am Fahrrad angebracht und misst den Seitenabstand vorbeifahrender Fahrzeuge. Die Ergebnisse stehen als Open-Source-Data der Forschung und Verkehrsplanung zur Verfügung. Die ehrenamtliche Initiative kooperiert bereits mit dem ebenfalls erstplatzierten Projekt „SimRa: Sicherheit im Radverkehr“, einer Smartphone-App, die Fahrradfahrten aufzeichnet und dabei Beschleunigungssensoren nutzt, um gefährliche Situationen zu erkennen. SimRa ist das erste Projekt, bei dem im großen Umfang reale Fahrradfahrten durch Radfahrer:innen aufgezeichnet und für Forschung und Verkehrsplanung nutzbar gemacht werden. Über die Kopplung mit dem OpenBikeSensor werden auch Überholvorgänge mit zu geringem Abstand automatisch erfasst. Technikjournalist Reinhard Otter (OpenBikeSensor) und Prof. Dr. David Bermbach von der TU Berlin (SimRa) freuten sich über den gemeinsamen ersten Platz.
Das zweitplatzierte Projekt ist die „Bürgerpartizipation zum Radentscheid München“. Der Münchner Radverkehrsbeauftragte Dr.-Ing. Florian Paul nahm den Preis stellvertretend entgegen. Die Landeshauptstadt vereinfacht die Beteiligung der Bürger:innen mithilfe digitaler Öffentlichkeitsveranstaltungen und leicht verständlicher Visualisierungen.
Den dritten Platz belegten die TU Dresden und das Start-up Cyface mit dem Webtool „bikeSim“ zur Prognose der Auslastung von Radverkehrsinfrastruktur. Die Webanwendung soll es kommunalen Akteuren ermöglichen, den Radverkehr in ihren Städten einfach, intuitiv und ohne Vorkenntnisse zu simulieren. Damit kann sich die Planung von Radwegen zukünftig an den Präferenzen der Radfahrer:innen ausrichten. Den Preis nahm Stefan Huber entgegen, der an der TU Dresden Forschungsprojekte im Themenfeld Radverkehr leitet und das Projekt maßgeblich vorangetrieben hat.