Fahrradstraßen: Einführung, Gestaltung, Bewerbung

Fahrradstraßen sind ein wirksames und vergleichsweise kostengünstiges Element zur Förderung des Radverkehrs – Sie sind die “klügste Möglichkeit, Radfahren schneller, einfacher und bequemer zu machen”

Fahrradstraßen sind ein wichtiges Element von durchgängigen Netzen und können als Teil von Radverbindungen eingesetzt werden. Sie können als Leuchttürme engagierter Radpolitik zudem ein wichtiges Signal in Städten und Kommunen für den Radverkehr setzen. Sie sind aber auch nicht das Allheilmittel für jedes Problem. Wichtig ist vor allem, dass während der Planung und Einrichtung gut kommuniziert wird: Intern innerhalb von Politik und Verwaltung und auch nach außen in die Bevölkerung.

10 Gute Gründe für eine Fahrradstraße

Es gibt eine Reihe von guten Gründen für die Einführung einer Fahrradstraße. In unserer Bildergalerie finden Sie zehn davon:

Die guten Gründe gibt es auch hier als pdf: RAD.SH – 10 Gute Gründe Fahrradstraßen

RAD.SH Mitgliedskommunen können diese auch als Power-Point-Präsentation bekommen. Einfach melden.

Definition Fahrradstraße

Eine Fahrradstraße ist eine für den Radverkehr vorgesehene Straße. Laut StVO dürfen Fahrradstraßen nur vom Radverkehr genutzt werden, es sei denn, Zusatzzeichen erlauben eine Nutzung auch von anderen Verkehrsarten. Für den Fahrverkehr gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h. Der Radverkehr darf weder gefährdet noch behindert werden.

Eine Übersicht bietet das RAD.SH Infosheet Nr. 4 „Fahrradstraßen“.

Wie muss eine Fahrradstraße gestaltet werden?

Für alle Verkehrsteilnehmenden muss erkennbar sein, ob sie sich auf einer normalen Erschließungsstraße oder einer Fahrradstraße befinden. Es ist nicht ausreichend, einfach nur am Anfang und Ende einer Fahrradstraße Schilder aufzustellen.

Sichtbarkeit

Eine Fahrradstraße muss von Beginn bis Ende durchgehend gut sichtbar sein, um auch wirklich zu funktionieren. Dazu gehören:

  • erkennbare und durchgehende Beschilderung – zu Beginn, am Ende und auch zwischendurch z.B. an Kreuzungen,
  • einheitliche und durchgehende Fahrbahnmarkierungen in Form von linienhaften Elementen und Piktogrammen.
  • wenn möglich bauliche Maßnahmen wir Aufpflasterungen in der Mitte der Straße und an Kreuzungen und Einmündungsbereichen,
  • bauliche Maßnahmen am Begin und Ende einer Fahrradstraße, die Signalwirkung besitzen.

Sicherheit

Um die Sicherheit zu erhöhen, muss der Radverkehr die Geschwindigkeiten und Verkehrsabläufe prägen. Erst dann wird die Fahrbahn als Verkehrsraum von der großen Mehrheit der Radfahrenden akzeptiert und auch die Kfz-Fahrenden fahren defensiver. Daher sollten Fahrradstraßen:

  • nicht durchgehend für den Kfz-Verkehr befahrbar sein (kein Durchgangs-, Schleich- oder quartiersfremder Verkehr),
  • an den Knotenpunkten übersichtlich gestaltet sein, gute Sichtbeziehungen haben und innerhalb der Straße einheitlich geregelt sein,
  • und einen Sicherheitstrennstreifen zum Ruhenden Verkehr besitzen.
  • Farbeinfärbungen (roter Asphalt) können die subjektive Sicherheit noch weiter erhöhen.

Bisher gibt es in Deutschland noch keine allgemeingültigen Gestaltungs- und Einrichtungsempfehlungen für Fahrradstraßen. Verschiedene Institutionen haben deshalb Gestaltungsvorschläge erarbeitet. Hier eine Auswahl:

In den RAD.SH Musterlösungen sind zahlreiche Fälle ausführlich beschrieben: Zur RAD.SH Seite

Einrichtung einer Fahrradstraße

Der rechtliche Rahmen für die Anordnung von Fahrradstraße und Fahrradzonen wird von der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) und der dazugehörigen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) vorgegeben.

TIPP: Setzen Sie sich mit allen Akteuren vor den ersten Planungen an einen Tisch. Sie benötigen die Zustimmung aller Beteiligten.

Nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung vom 15.11.2021 dürfen Fahrradstraßen nur auf Straßen

  • mit einer hohen Fahrradverkehrsdichte,
  • mit einer zu erwartenden hohen Fahrradverkehrsdichte,
  • mit einer hohen Netzbedeutung für den Radverkehr oder
  • mit lediglich untergeordneter Bedeutung für den Kraftfahrzeugverkehr

eingerichtet werden. Im Gegensatz zur VwV-StVO 2017, muss der Radverkehr laut der VwV-StVO 2021 nicht mehr vorherrschende Verkehrsart sein. Stattdessen reicht es aus, wenn durch die Einrichtung einer Fahrradstraße eine hohe Fahrradverkehrsdichte erreicht wird.

Fahrradstraßen können auf Antrag von der Straßenverkehrsbehörde angeordnet werden. Laut StVO können Fahrradstraßen aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs (§ 45 Abs. 1, Satz 1) oder zur Unterstützung einer städtebaulichen Entwicklung (§ 45 Abs. 1b Nr. 5) angeordnet werden.

  • Eine Begründung durch die Verkehrssicherheit setzt eine Gefahrenlage voraus, die bei durchschnittlichen Verkehrsverhältnissen die Unfallsituation negativ beeinflussen kann. Eine unmittelbare (konkrete) Gefahr muss nicht nachgewiesen werden. Dennoch muss sorgfältig jeder Einzelfall geprüft werden.
  • Eine Begründung durch die Ordnung des Verkehrs kann sich auf den ruhenden und den fließenden Verkehr beziehen. Dabei ist die Gewährleistung der Schnelligkeit weniger entscheidend als die Bewältigung des Massenverkehrs.
  • Bei der Begründung „zur Unterstützung einer städtebaulichen Entwicklung“ sind die konkreten Erfordernisse derzeit noch umstritten. Theoretisch könnte ein städtebauliches (Verkehrs-)Konzept bereits als Begründung ausreichen.

In der ADFC Broschüre „Fahrradstraßen erfolgreich etablieren“ (s.o.) werden verschiedene Begründungen im Detail beschrieben.

Eine weitere Möglichkeit zur Einführung einer Radstraße bietet die Möglichkeit, temporäre Verkehrsversuche nach § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 und 6 StVO durchzuführen. Sie geben den Verkehrsbehörden das Recht zur Beschränkung des Kfz-Verkehrs

  • hinsichtlich der zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen sowie
  • zur Erforschung des Unfallgeschehens, des Verkehrsverhaltens, der Verkehrsabläufe sowie zur Erprobung geplanter verkehrssichernder oder verkehrsregelnder Maßnahmen.

Vor allem bei großen Widerstände seitens der Politik oder Bevölkerung kann mit einem temporären Feldversuch die Einrichtung einer Fahrradstraße gelingen.

Wichtig: Begleitende Öffentlichkeitsarbeit

Eine Studie des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zu Fahrradstraßen hat mittels Befragungen gezeigt, dass zu den geltenden Regeln in Fahrradstraßen große Wissenslücken existieren – und zwar sowohl auf Seiten der motorisierten VerkehrsteilnehmerInnen wie auch auf Seiten der Radfahrenden. Zur Studie: Unfallforschung der Versicherer

 

Laut GDV Studie kennt rund ein Drittel der VerkehrsteilnehmerInnen nicht die grundlegenden Regeln einer Fahrradstraße z.B., dass der MIV nur mit Zusatzschild in Fahrradstraßen erlaubt ist, dass Radfahrende nicht automatisch Vorfahrt haben und dass Radfahrende nebeneinander fahren dürfen. Auch die Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h, ist mehr als 40 % der Bevölkerung unbekannt.

Die Einführung einer Radstraße muss deshalb zwingend durch Öffentlichkeitsarbeit begleitet werden. Dabei müssen zum einen die Anwohner möglichst frühzeitig informiert werden, um Vorbehalte abzubauen („Darf ich dann noch mit meinem Auto in meine Straße fahren“). Zum anderen müssen die Nutzer zu Beginn der Einführung über die Regelungen aufgeklärt werden. Da viele Menschen täglich die gleichen Wege zurücklegen, erreicht man mit einer Aufklärungskampagne an der Fahrradstraße selber einen Großteil der täglichen NutzerInnen.

RAD.SH hat ein Kommunikationspaket entwickelt, um eine Radstraße zu begleiten.

Exkurs: Fahrradstraßen außerorts

Fahrradstraßen können aber auch außerorts wichtige Aufgaben beim Aufbau durchgehender Radnetze übernehmen. Gerade in den ländlichen Räumen bieten „Schleichwege“ ein Potential für den strukturierten Radverkehrsausbau, sowohl für den Alltagsradverkehr, als auch dem Radtourismus abseits von verkehrsreichen Straßen.

In Betracht für die Einrichtung einer Fahrradstraße kommen Straßen mit einer untergeordneten Bedeutung für den Kraftfahrzeugverkehr oder einer hohen Netzbedeutung für den Radverkehr in Frage. Während schwach befahrene Straßen sich vielfach anbieten (für die „untergeordnete Bedeutung für den Kfz-Verkehr“ ist aber eine Einzelfallprüfung erfordert), sind stärker befahrene Straßen nur in Einzelfällen sinnvoll, zum Beispiel bei touristischen Hauptrouten (auch wenn bei der Voraussetzung „hohe Netzbedeutung“ generalisierende Aussagen möglich sind). Fahrradstraßen außerorts mit hohem KfZ-Verkehrsaufkommen bieten auch ein hohes Konfliktpotential..

Land- und forstwirtschaftliche Wege können mit dem Verkehrszeichen „Beginn einer Fahrradstraße“ und dem Zusatzzeichen „Land- und forstwirtschaftlicher Verkehr frei“ (ZZ 1026-36 oder 1026-37) markiert werden. Der Vorteil einer Ausweisung als Fahrradstraße besteht für den Radverkehr darin, dass Verschmutzungen durch den Verursacher umgehend zu beseitigen sind, auch wenn in der Realität dies nur selten erfolgen dürfte. Zu beachten ist die Möglichkeit auf Ausweichstellen für breite landwirtschaftliche Fahrzeuge und eine begleitenden Aufklärungskampagne an AnwohnerInnen und LandwirtInnen, um die Regelungen zu erläutern.

Auf Gemeindeverbindungsstraßen dürfen die Kfz-Verkehrsstärke nur gering sein und sollten die Grenze von 100 Kfz/h nicht überschreiten. Eine Ausschilderung von Alternativrouten kann dabei helfen, Durchgangsverkehre zu reduzieren. Die Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h muss besonders durch Markierungen und Beschilderung betont werden, da viele KFZ NutzerInnen dies einfach nicht wissen (s.o.).

Generell gilt bei Fahrradstraßen außerorts in besonderen Maße, dass Markierungen und bauliche Maßnahmen wie Aufpflasterungen den Charakter der Fahrradstraße betonen sollten. Auch wenn viele Verkehrsteilnehmer sich umsichtig verhalten, können einzelne Raser auf schlecht einsehbaren Stecken für ehebliche Unfallgefahren sorgen.